Die Frage nach dem besten Objektiv wurde mir früher als Fotofachverkäufer recht häufig gestellt. Die Antwort darauf war für die Kunden meist ernüchternd, da es dafür keine pauschale Antwort gibt. Zu unterschiedlich sind die Erwartungen des einzelnen Fotografen. Zu unterschiedlich sind die Fotomotive die fotografiert werden sollen.
Zu unterschiedlich sind die subjektiven Eindrücke bei den Fotografen und Betrachtern. Es gibt also sehr viele Gründe, warum es das beste Objektiv nicht geben kann?
Auch falsch. Wenn man es technisch betrachtet und einige Qualitätsparameter, wie maximale Schärfeleistung, geringste Verzeichnung, keine Vignettierungen und noch weitere optisch relevante Punkte als Maßstab nimmt, gibt es sicherlich irgendein Objektiv, welches man als das Beste titulieren könnte.
In der Foto-Zeitschrift Color Foto wurde vor über 10 Jahren das Nikon AF-S 2,8 / 60 mm als Referenz-Objektiv definiert.
Es hatte die maximale Schärfeleistung der damals produzierten Objektive mit Autofocus und für analoge und digitale Kleinbildkameras.
Es hat praktisch keine Verzeichnungen und bis in die Bildecken gestochen scharf. Bereits bei geringem abblenden erreicht es seine maximale optische Leistung.
Aber wer will schon alle Aufnahmen mit einem Macro-Objektiv machen?
Wer will schon auf die gestalterischen Möglichkeiten von Weitwinkel und Teleobjektiven verzichten?
Ich lasse die Frage nach dem besten Objektiv einfach unbeantwortet.
Je nach Motivvorlieben, verfügbaren Geld und gewünschten Effekt muß diese Frage jeder für sich selbst beantworten.
Trotzdem möchte ich hier einige Punkte auflisten, die für die Qualität eines Objektives verantwortlich sind.
Mich erstaunt es immer wieder, daß manch scheinbarer Eindruck zu Fehlinterpretationen führt!
Dewsegen möchte ich diese Wissenslücken, die auch bei einigen Berufsfotografen existieren, mit diesem Artikel reduzieren.
Qualitätsfaktoren für das beste Objektiv!
- Festbrennweiten haben immer eine bessere optische Qualität als Zoom-Objektive!
- Manuell focusierbare Objektive sind meist besser als dieselben für Autofocus.
- Objektive mit Ultrasonic-Motor zur Schärfeeinstellung sind besser, da exakter und schneller in der Fokusierung.
- Objektive mit speziellen Vergütungen wie ED-Gläser, APO-(Chromaten) … haben eine bessere optische Abbildungsqualität.
- Objektive mit asphärischen Linsen haben ebenfalls eine bessere optische Qualität.
- Objektive mit einem größerem Bildfelskreis sind meist besser, als solche mit kleinerem.
- Der Crop-Faktor kann Einfluß auf die Bildqualität haben.
- Das Aufnahmemedium Film oder Chip und dessen Format hat Einfluß auf die Bildqualität.
- Eine Sonnenblende ist für brillantere Fotos verantwortlich.
- Mechanische Qualität
- Haptik
- Optimale Abstimmung der einzelnen Linsen aufeinander
Ich hoffe ich habe mit der Auflistung niemanden verwirrt?
Wenn doch, kommen nun die einzelnen Erläuterungen.
Festbrennweiten vs Zoom-Objektive
Auch heute noch, sind Festbrennweiten gegenüber den meisten Zoom-Objektiven optisch überlegen.
Zwar haben die Objektiv-Hersteller vieles verbessert und der Unterschied ist bei guten Markenherstellern oft nicht mehr so riesig.
Zoom-Objektive decken einen größeren Brennweitenbereich ab und benötigen dafür meist mehr Linsen als Festbrennweiten. Mehr Linsen erhöhen logischerweise die Fehlerquote. So haben fast alle Zoom-Objektive ihre Stärken nur in einem bestimmten Brennweiten-Bereich.
Festbrennweiten haben meist eine höhere Lichtstärke. Zoom-Objektive mit geringerer Lichtstärke reduzieren kreative Möglichkeiten. Ein freistellen eines Motives ist kaum bis gar nicht möglich. Lichtstarke Zoom-Objektive wiederum sind relativ teuer.
Nicht für jede fotografische Aufgabe sind Festbrennweiten optimal. Bei der Sportfotografie, People-Fotografie, Tierfotografie und anderen bewegten Motiven sind Zooms meist im Vorteil. Was nützt ein optisch besseres Objektiv mit Festbrennweite, wenn man das Foto mangels passender Brennweite nicht realisieren konnte?
Manueller Focus vs Autofocus
Objektive mit manueller Fokusierung sind mechanisch exakter verarbeitet, was eine bessere optische Qualität ergibt. Ausnahme sind Objektive mit Ultrasonic-Motoren zum fokusieren. Statt einer Mechanik übernehmen verschleißarme Lamellen die Fokusierung schneller und genauso präzise wie manuell fokusierbare.
Ultrasonic-Motoren vs. ohne
Schneller und exakter. Was sollte da gegen ein Objektiv mit Ultrasonic-Motor sprechen?
Eventuel der spürbar höhere Preis. Deswegen werden nicht alle Objektive mit dieser sinnvollen Technik ausgestattet.
ED, APO und L – Linsen vs normale optische Linsen
Hochwertig vergütete Linsen sind in hochwertigen Objektiven oft ein Bestandteil des Linsensystems.
Bei Nikon nennt man sie ED. Bei Canon L. L-Linsen bei Canon werden aus Fluorit gezüchtet. Fluorit ist ein Mineral. Die großen Linsen für die Tele-Objektive müssen über zehn Jahre gezüchtet werden! Dieser enorme Aufwand erklärt auch die relativ hohen Preis für ein 2,8/300 mm oder 4/500 mm.
Andere Objektivhersteller verwenden im Telebereich APO-Chromaten. Dies sind meist drei Linsen, wo die Frontlinse mit einer sehr aufwändigen Vergütung korrigiert und optimiert wird.
Wer es sich leiste kann, und die maximale optische Qualtiät wünscht, sollte auf diese Objektive nicht verzichten.
Asphärische Linse vs. ohne
Ähnlich wie bei den hochvergüteten Linsen sind Objektive mit einer asphärischer Linse meist besser. Diese werden bei hochwertigen Weitwinkel-Objektiven und Zooms mit Weitwinkelbereich zur optischen Korrektur verwendet.
Auch hier verteuert sich das Objektive durch den Einsatz dieser Linsenbauart.
Großer Bildfeldkreis vs kleiner Bildfeldkreis
Fotografen die bereits mit Großformat und teilweise Mittelformat fotografiert haben, werden wissen, was damit gemeint ist.
Die meisten Hobbyfotografen aber nicht?
Da bei der Großformatfotografie die Standarten verstellt werden können, ist die Angabe des Bildfeldkreises ein wichtiges Auswahl und Kaufkriterium.
Der Bildfeldkreis ist der Bereich, wo das Objektiv noch die optimale Qualität abbilden kann. Darüber hinaus kommt es zu erhöhten Qualitätseinbußen oder Vignettierungen.
Unbewußt nutzen diesen Effekt viele Fotografen mit ihren digitalen Spiegelreflexkameras. Einige Objekitve sind ursprünglich für Kleinbildkameras konstruiert worden und haben somit einen höheren Bildfeldkreis, als es bei Digitalkameras mit kleineren Aufnahme-Chips nötig wäre. Dadurch wird aber das Zentrum, welches fast immer eine bessere optische Qualität als der Randbereich hat, genutzt. Das Ergebnis ist eine bessere optische Qualität.
Manche Kamerahersteller bieten allerdings auch Objektive an, die für die kleineren Aufnahmechips abgestimmt sind. Diese sind meist etwas günstiger, da die Linsen kleiner gebaut werden können.
Crop Faktor vs Vollformat
Hierzu wurde beim Bildfeldkreis bereits das wesentlich erläutert.
Crop Faktor = Konzentration auf die Mitte der Optik = erhöhte optische Qualität.
Auf der anderen Seite sind für einen Weitwinkel-Effekt niedrigere Brennweiten erforderlich. Diese sind meist teurer und optisch schwieriger und oft nicht ganz so gut wie die Weitwinkel für das Vollformat.
Im Telebereich ist es durch den Crop-Faktor schwerer mit einem Tele ein Motiv freizustellen.
Sonneblende vs. ohne
Mich erstaunt es immer wieder, wie viele Hobby-Fotografen ohne Sonnenblende fotografieren?
Wer schon einmal einen Vergleich bei Seitenlicht oder Gegenlicht mit und ohne Sonnenblende gemacht hat, wird wissen was ich meine.
Mit Sonneblende sind viele Fotos brillanter, da Streulicht reduziert oder unterbunden wird.
Farben sind intensiver und der Kontrast knackiger.
Nebenbei ist eine Sonnenblende auch ein sehr guter mechanischer Schutz.
Mechanische Qualität
Je exakter ein Objektiv verarbeitet ist, desto exakter ist auch die Fokusierung.
Haptik
Liegt ein Objektiv gut oder sehr gut in der Hand. Sind die Bedienelemente gut angebracht? Die Haptik ist allerdings auch sehr subjektiv. Sie kann auch durch bisherige Gewohnheiten falsch eingeschätzt werden.
Optische Abstimmung des Linsensystems eines Objektives
Seltsam oder? Heute werden alle Objektive maschinell produziert. So kann man allerdings nicht das maximale an Qualität herausholen!
Halt!
Eine Manufaktur gibt es noch.
Leica ist derzeit noch die einzige Kamera-Manufaktur der Welt.
Da nicht jede Linse für das selbe Bauteil gleich in der Qualtität ist, werden bei Leica die einzelnen Linsen bei den M-Objektiven von Hand abgestimmt. Es wird immer die Linse mit der passenden Toleranz ausgewählt. Das Ergebnis sind Objektive mit unglaublicher optischer Qualität, die fast alle asiatischen Produkte in den Schatten stellt.
Ich weiß von was ich rede. Bei einem Fotowettbewerb habe ich vor Jahren eine Leica M7 mit Elmar 2,8 / 50 mm gewonnen. Und ich war überrascht wie brillant die Dias mit diesem Standart-Objektiv geworden sind.
Einziger Nachteil ist der astronomisch hohe Preis für diese Objektive.
Film vs Chip
Viele Objektive wurden für Filmmaterial berechnet. Nun haben allerdings manche Aufnahme-Chips in der digitalen Fotografie andere Oberflächen. Viele Eigenschaften ändern sich dadurch. Es kann zu Farbsäumen und Fehlern kommen.
Bei Telebrennweiten fällt dies auf Grund des geringen Bildwinkels kaum oder gar nicht ins Gewicht.
Bei Weitwinkel-Objektiven kann dies aber durchaus der Fall sein.
Inzwischen gibt es von fast allen Herstellern Objektive die für Digitalkamers berechnet wurden.
Fällt euch noch ein Argument oder ein Kriterium für die Auswahl des besten Objektives ein?
Dann schreibt mir einen Kommentar.
Das beste Objektiv ist eine Summierung zahlreicher Kriterien. Angefangen von den optischen Qualitätsmerkmalen bis hin zu den finanziellen Möglichkeiten.
Bernd,
sehr umfangreiche Analyse, auf die ich bei meiner nächsten Anschaffung zurückgreife.
lg Uwe
Sehr hilfreicher Artikel. Vielen Dank! 🙂
Danke für den guten und fachlichen Bericht.
Ich bin der Meinung Objektive sind u.a. Landschaft, da reicht ein einfaches günstiges Objektiv.
Objektive können sehr gute Festbrennweiten nicht ersetzen. Wo es darauf ankommt greife ich zu Festbrennweiten. Jens.